Nach dem Saisonauftakt im Langlauf stand die zweite Woche im kanadischen Canmore im Zeichen des Biathlon-Weltcups. Anja startete bei allen drei Wettkämpfen, wobei das ganz kurz nach Ankunft in Kanada nicht selbstverständlich schien. Als die 33-Jährige dort ihren Gewehrkoffer öffnete war klar, es gibt ein Problem. Im Koffer befand sich ein Zettel der Luftsicherheit vom Frankfurter Flughafen mit der unerfreulichen Angabe, zwei Kartuschen seine entnommen worden, die nach Rückkehr dort abgeholt werden könnten. Das kam bei den vielen Reisen von Anja ab Frankfurt, mit genau dieser Ausrüstung, noch nie vor.
Ohne Kartuschen ist das Gewehr nicht funktionsfähig und ohne funktionierendes Gewehr kein Biathlon. Zum Glück war das anderen Sportlerinnen nicht passiert und so war es möglich, Ersatzkartuschen zu bekommen. Beim ersten Wettkampf, dem Biathlon-Sprint, konnte Anja auf die Strecke und vor allem an den Schießstand gehen. Bei zehn Schuss leistete sie sich einen Fehler, auf der Strecke lief es gut und im Ziel konnte sie sich über Platz drei freuen.
Die Biathlon-Verfolgung stand zwei Tage danach auf dem Programm. Dabei geht es mit der Qualifikation los, aus deren Zeiten, geschossenen Fehlern und individueller Klassifizierung die Abstände für das Finale berechnet werden. Anja traf alle zehn Scheiben, bekam somit keine Strafsekunden auf die Laufzeit und war in der Loipe überragend unterwegs. Platz eins in der Quali und gejagter Hase im Finale, dieses Szenario kennt Anja bestens. Beim Start ins Finale zwei Stunden später hatten sich die Bedingungen drastisch geändert, böiger Wind und statt minus vierzehn Grad nun ein Grad plus. Beim ersten Schießen kam Anja mit ihrem Vorsprung als erste an den Stand. Der Wind pfiff kräftig von links nach rechts, so dass an eine Schussabgabe eigentlich nicht zu denken war.
„Ich habe dagelegen und mir war klar, dass ich entweder mit dem ersten Schuss ewig warten muss oder aber Fehler riskiere. Aber zu lange warten ist in der Verfolgung nicht gerade das Mittel, mit jeder Sekunde schwindet der Vorsprung und die Läuferinnen mit weniger Handicap rücken mir auf die Pelle. Also schießen, drei Strafrunden laufen und weiter geht’s. Beim zweiten Schießen war der Wind zwar noch böig, aber nicht mehr so stark. Mit einem Fehler und einer weiteren Strafrunde bin ich als Vierte ins Ziel gelaufen. In Anbetracht der Umstände eine gute Platzierung. Enttäuscht war ich trotzdem, vor allem nachdem mir ein amerikanischer Athlet noch im Ziel sagte, dass genau nach meinem ersten Schießen der Wind nachgelassen hatte“, sagte Anja hinterher.
Das letzte Rennen in Canmore startete am Sonntag. Im Einzel geht es über 12,5 Kilometer, wobei der Schießstand viermal besucht wird, also zwanzig Schüsse ins Ziel sollen. Für jeden Fehler gibt es einen Minute auf die Laufzeit. Der ganze Wettkampf war begleitet von Regen, die Strecke hielt sich aber ganz gut und der Wind war beherrschbar. Anstrengend ist die lange Distanz für alle, zumal die Meisten bereits fünf Wettkämpfe in den Armen haben. Das zeigt sich auch wieder beim Schießen. Anja legte die Zahlenreihenfolge 0-2-0-2 hin, es kamen also vier Fehler und somit vier Minuten auf die Laufzeit.
„Diesmal lag es an mir, nicht am Wind. Auf der Strecke lief es noch gut und ich hatte ja die Informationen, was die Konkurrenz so macht. Und da auch die Anderen nicht fehlerfrei blieben, konnte ich nochmal auf das Podium laufen. Platz drei, die dritte Bronzemedaille im sechsten Rennen, eine Bilanz, mit der ich leben kann.“
Anja wird nach einer Verschnaufpause zuhause nach Weihnachten für ein Höhentraining nach Livigno fahren, um sich für die nächsten Wettkämpfe im neuen Jahr vorzubereiten. Diese starten ab dem 08.01.2026 mit einem Biathlon-Weltcup am Notschrei. Es stehen also Heimrennen an, die in Finsterau mit einem Langlauf-Weltcup fortgesetzt werden.
Alle Infos zu Anja Wicker findet ihr auf ihrer Homepage.
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