„Veni vidi vici“ diktierte Caesar 47 v.Chr. nach der Schlacht bei Zela in die Geschichtsbücher. Nur vier Stunden hatte der geniale Feldherr benötigt, um den zahlenmäßig überlegenen Gegner in die Knie zu zwingen. Sein entscheidender Trumpf schien anfangs unbedeutend zu sein, denn von seiner gefürchteten Legio VI, der „eisernen“, waren nur 800 Mann in seinem „Team“ – vom Gegner sträflich nicht für voll genommen…
Caeser spielte diesen Trumpf und nutzte seine Chancen konsequent. Er hatte kaum Verluste.
Die Zeiten kommen und gehen. Vieles bleibt, so auch die Gewissheit, dass Chancen zunächst erkannt und dann konsequent genutzt werden müssen. Dies erfordert oftmals Weitsicht und Mut, um auch verdeckte Trümpfe wirkungsvoll auszuspielen. So entstehen dann die legendären Siege, wenn sich auf den Rängen die Körperhaare aufrichten, wenn Emotionen explodieren und Helden geboren werden.
Solch einer „Geburt“ durften die Zuschauer im Hexenkessel der SCHARRena am letzten Mittwoch beiwohnen. Gegen den Rekordmeister aus Münster war nach zwei verlorenen Sätzen eigentlich schon alles entschieden, da warf MTV-Trainer Hernandez mit Jelena Wlk eine U21-Vizeweltmeisterin (Beach 2013) in die Arena. Doch die 20-jährige hatte noch niemals ein Erstligaspiel für Stuttgart bestritten. Sie ist zwar eine Vollblut-Stuttgarterin, ausgebildet im VC Stuttgart (jetzt MTV-Volleyball Akademie), doch eigentlich spielt sie mit unserem Nachwuchs in der 2.Liga.
Jele Wlk kam, sah und handelte. Die Ballannahme zusammen mit Lena Gschwendtner (21, eigener Nachwuchs) stabilisierte sich sofort auf hohem Niveau. Da war sehr wichtig.
Im 3.Satz ging dann ein Ruck durch die Mannschaft. Jetzt steigerten sich auch die anderen Stuttgarter Angriffsspitzen zur Bestform. Volleyball ist eine ausgeprägte Teamsportart. Einzelne Überflieger entscheiden die Spiele kaum. Wie konnte eine Zwanzigjährige einem erfahrenen Team seine nervliche Stärke zurückgeben? Folgendes Zitat erklärt es vielleicht:
„Als ich reinkam hab ich gedacht, dass ich einfach mal Stimmung mach, ein bisschen Power, so wie ich halt immer Volleyball spiele. Das war dann wie in einem Traum und es lief einfach, und es war einfach nur gut und ich fand´s einfach megageil, auf dem Feld zu stehen …“
Es ist das Verdienst des Trainers, zur rechten Zeit einen ganz speziellen Trumpf zu spielen. Die eingewechselte Unbekümmertheit und Lockerheit verwandelte sich auf dem Spielfeld in Sicherheit. Zudem ließ er Angriffe ganz bewusst über Jele Wlk laufen, eine taktische Entscheidung, der Jele gewachsen war und die der Gegner so nicht erwartete.
Als ein sichtlich enttäuschter gegnerischer Trainer Jelena Wlk zur besten Stuttgarter Spielerin (MVP) kürte, ließ sich erahnen, was für einen Trumpf Guillermo Naranjo Hernandez da aus dem Ärmel gezogen hatte.
Nach der MVP-Auszeichnung ging Trainer Guillermo vor Jele auf die Knie, um sich auf orientalische Art zu verbeugen. Ganz sicher ein Scherz, aber vielleicht auch ein Bedürfnis, denn Jele kam, sah und siegte. (ke)