Bis spät in die Saison war es ein gut gehütetes Geheimnis. Aus Respekt vor der Herausforderung, aus dem Wunsch heraus, dieses Abenteuer zu zweit zu erleben, und aus Angst, bereits auf dem Weg dorthin zu scheitern. Karl Magnus Westphal und Anja Kruse starteten beim Transalpin Run 2016. (Ein Bericht von Anja Kruse).
Eigentlich war es eine Schnapsidee (in Hinblick auf den anfangs beteiligten Gin Tonic sogar im wahrsten Sinne des Wortes). Da war doch mal so ein Video von so einem Lauf über die Alpen... So ein Wettkampf für Exoten, für ein paar Verrückte, die echt nicht mehr wissen, wohin mit ihrer Zeit. Und so weiter... Wie es dann manchmal so geht, findet man dann plötzlich am ersten Januar 2016 eine Anmeldebestätigung im Email-Eingang und sich selbst auf der Teilnehmerliste. Team Peaberries vom MTV Stuttgart.
So begann dann auch bereits kurz nach den Feiertagen unsere Vorbereitung auf diesen Lauf, der unsere Vorstellungskraft bei Weitem überstieg. Im Verlauf stellten wir übrigens fest, dass bereits der Weg dorthin neben Beruf und anderen Verpflichtungen "nicht ohne" war. 25-km-Läufe in Schnee, Nebel, auf vereisten Wegen in Rostock und Umgebung oder auf dem Birkenkopf und den Fildern bei Stuttgart. Erste Trail- und Höhenmeter-Erfahrungen im Dauerregen und Matsch am Albtrauf in Bad Urach. Zehrend langes "Kilometerfressen" in der süddeutschen Sommerhitze. Der erste Berglauf auf das Nebelhorn und alpine Trainingslager an der Rappenseehütte und im Allgäu. Die Saison brachte so viele neue Erfahrungen mit sich, dass es uns nie langweilig wurde. Wir hatten tatsächlich Spaß dabei, meistens.
Auch im Bereich Equipment und Ernährung machten wir viele interessante Erfahrungen und einige Anfängerfehler. Wie fühlen sich 1,5 Liter Wasser auf dem Rücken ok an? Wie koordiniere ich Beine UND Laufstöcke gleichzeitig ohne über erstere oder letztere zu stolpern? Wieviel Energieriegel verträgt der Mensch und wieviel Minimalschuh verträgt sich mit alpinem Geröll.
Der erste Härtetest im Team war für uns der Rennsteiglauf in Thüringen im Mai. Es galt zu überprüfen, ob man acht Stunden oder länger mit dem gleichen Menschen unter extremer Belastung klar kommt und wieviele Käsebrote und Cola-Gummibärchen es dafür braucht. Ach ja, und was die Muskeln und Füße dazu sagen. Auch wenn der Lauf aufgrund von Knieproblemen für mich tatsächlich extrem war, so war die Stimmung im Team Peaberries insgesamt sehr gut und wir erreichten, angefeuert von Karls Papa, knapp unter acht Stunden das Ziel. In den ersten zwei Wochen danach war es jedoch unklar, ob mein Knie die weitere Vorbereitung mitmachen würde. Karl wuchs währenddessen lauftechnisch immer weiter über sich hinaus.
So langsam wurde uns klar, dass die Höhenmeter um Stuttgart und in Bad Urach nicht ausreichen würden, um uns fit für die Alpen zu machen. Also meldete Karl uns mal für "einen kleinen Berglauf" an, der sich als Lauf auf das Nebelhorn entpuppte und uns zeigte, dass man tatsächlich keinesfalls alle Anstiege laufen kann. Diese Erkenntnis war neu und erschreckend, da wir dies zu diesem Zeitpunkt noch als Grundvoraussetzung für die Teilnahme am Transalpin erachteten (in den Videos laufen ja immer alle!!). Da wir am gleichen Tag noch mit Gepäck aus dem Tal bis zur Rappenseehütte hinauf wanderten, bekamen wir wenigstens den Eindruck, dass wir zumindest in Sachen Grundlagenausdauer nicht schlecht unterwegs waren. Da die Zweifel sich dennoch nicht beiseite schieben ließen, behielten wir unsere Pläne weiterhin für uns.
Es folgte noch ein zweites Trainingslager in und um Pfronten im Allgäu. Dies war zugleich der letzte Härtetest auf dem Weg nach Brixen und umfasste 170 Wochenkilometer. Zum ersten Mal kam uns der Gedanke, dass die 250 km von Garmisch-Partenkirchen bis nach Brixen in Italien wirklich machbar wären... Mit viel Essen, noch mehr alkoholfreiem Bier, qualvoller Blackroll-Akrobatik, einem neuen Hang zu Yoga und nun akuter Reduktion der Laufumfänge bis zum Start.
Irgendwie kam der September dann ganz schön schnell.
Es folgte eine unglaubliche Woche in den Tiroler und Südtiroler Alpen voller geographischer und emotionaler Höhen und Tiefen, voller Euphorie und Zweifel, ferner Horizonte und erschreckend naher Steilwände, endloser Anstiege und brenzliger Downhills, rutschiger Stolpersteine und freudentaumelnder Zieleinläufe. Mit Unmengen an Pasta, Freibier (streng alkoholfrei!), Schweiß und Muskelkater. Mit lustigen Schweden, Ober-Ultra-California-Girls („It‘s not even a fifty-miler - how hard can it be?“) und liebevoll-sadistischen Outdoor-Physio-Helden. Mit erstaunlichen Erkenntnissen über sich selbst, den Teampartner und den menschlichen Körper...
... und vor allem mit Happy End :-) Nach 250 km und 15000 Höhenmetern und 42 Stunden, 7 Minuten und 18,3 Sekunden erreichte Team Peaberries verletzungsfrei, erleichtert und vor allem unendlich glücklich das Ziel in Brixen. Das ganze Jahr war eine rundherum unglaubliche Erfahrung und wir bedanken uns für all die Unterstützung und Motivation, die ihr uns mitgegeben habt.
Eine Zusammenfassung der Woche mit detaillierteren Informationen zu den Etappen und Bildern findet ihr auf Karls Internetseite.