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Das Team des Blidnentennis (Fotos: Bernd Eidenmüller Los geht's. Spiel und Spaß beginnt schon beim Warm-up. (Fotos: Bernd Eidenmüller) „Eine neue Sportart ist immer interessant, und ich mag es sehr, Neues auszuprobieren.“ Melanie, Schülerin der Niko | Dank einer Kooperation mit dem MTV Stuttgart und dem TC Ditzingen spielen Teilnehmende der Nikolauspflege nun regelmäßig Blindentennis. Es ist Donnerstagmittag. Wenn man die Treppen zur großen Sporthalle vom MTV Stuttgart am Kräherwald hochgeht, hört man ein unbekanntes Geräusch. Es klingt, als würden mehrere Rasseln geschüttelt werden, die aber keinem erkennbaren Rhythmus folgen. Beim Betreten der Halle bietet sich jedoch ein ganz anderes Bild. Vier Schülerinnen und Schüler der Nikolauspflege stehen verteilt in der Halle, alle haben einen Tennisschläger in der Hand. Zwei Trainer, ebenfalls mit einem Schläger ausgestattet, geben Anweisungen. Wir sind mittendrin im Blindentennis-Training. Zu Beginn der Stunde findet ein kleines Warm-up statt. Hopserlauf durch die Halle und lange Ausfallschritte sind nur Teile des kleinen Lauf-ABCs. Anschließend geht es über zu Aufwärmübungen mit dem Schläger und den besonderen Bällen. Ballhochhalten, Ballprellen: Die Trainer geben Hilfestellung und korrigieren dort, wo es noch nicht so gut klappt. Nun stellen sich die Spielerinnen und Spieler zu zweit gegenüber, die ersten Ballwechsel finden statt. Immer wieder kommen Hinweise von den Trainern, wie man den Schläger richtig hält und den Ball am besten übers Netz führt. Hin und wieder ertönt ein leidenschaftliches „Oh nein!“, wenn ein Ball verfehlt wird. Blindentennis – eine noch junge Disziplin Erst vor 19 Jahren entwickelte sich die junge Sportart Blindentennis in Japan. 2016 kam der Sport auch nach Deutschland und findet seither große Begeisterung. Wer sich schon einmal ein Tennismatch angeschaut hat oder sogar selbst schon auf dem roten Platz stand, der wird sich schnell fragen, wie das überhaupt möglich sein kann. Allein beim herkömmlichen Tennis erwischen Spielende nicht jeden Ball – wie soll das gehen, wenn man den Ball nicht einmal kommen sieht? Die Regeln des Blindentennis gehen so: Zunächst einmal ist das Feld kleiner als beim Tennis, und es wird durch spezielle aufgeklebte Markierungen auf dem Boden haptisch spürbar gemacht. Auch die Schläger sind kleiner bzw. kürzer als die bekannten Tennisschläger. Den größten Unterschied macht jedoch der Ball. Dieser ist beim Blindentennis aus Schaumstoff und größer als herkömmliche Tennisbälle. Zusätzlich ist in dem Schaumstoffball ein ausgehöhlter Golfball, in dem eine kleine Rassel mithilfe von Metallstiften verbaut ist. Durch das auditive Signal wird der Ball auch von Menschen mit Blindheit wahrgenommen und kann so gespielt werden. Dabei darf der Ball bei einem Spieler mit Blindheit im gegnerischen Spielfeld dreimal aufspringen, bevor er zurückgeschlagen werden muss. Ist der Spieler hochgradig sehbeeinträchtigt, darf der Ball zweimal den Boden im gegnerischen Feld berühren; bei sehbehinderten und sehenden Spielenden reduziert sich die Anzahl auf ein einmaliges Aufkommen des Balls. Was beim Blindentennis vor allem wichtig ist, ist der ständige Wortwechsel vor einem Ballwechsel. Große Begeisterung von Anfang an Seit Januar dieses Jahres gibt es Blindentennis nun auch an der Nikolauspflege. Gemeinsam mit dem TC Ditzingen und dem MTV Stuttgart wurde ein Angebot auf die Beine gestellt, welches dankend angenommen wird. Auf der Suche nach einem Verein half Tanja Pannach als Fachberaterin für Baden-Württemberg vom Deutschen Tennis Bund weiter. Sie vermittelte die Nikolauspflege an den TC Ditzingen als einen der einzigen Vereine im Raum Stuttgart mit einem Angebot für Menschen mit Blindheit und Sehbeeinträchtigung im Tennisbereich. Zusammen mit dem MTV Stuttgart als Kooperationspartner kam dann eine Zusammenarbeit zustande. Mandy Pierer, die Inklusionsbeauftragte des MTV Stuttgart, Monica Schwarzenthal als Inklusionsbeauftragte des TC Ditzingen und Anne Kupke, Inklusionscoach an der Nikolauspflege, organisierten gemeinsam den ersten Blindentennis-Workshop für die Nikolauspflege. Dabei stellt der TC Ditzingen mit Angelo Brunetti und Jonas Tomsu die Trainer. Die Sporthalle, in der das Training während der kalten Jahreszeit stattfindet, stellt der MTV, und die Teilnehmenden kommen von der Nikolauspflege. Gemeinsam macht es richtig Spaß Jonas, Melanie, Celine und Louis sind bereits seit Beginn des Workshops dabei und trainieren jeden Donnerstag mit ihren beiden Trainern Angelo und Jonas in der Halle des MTV Stuttgart. „Blindentennis macht richtig Spaß, vor allem auch zusammen mit meinen Mitschülerinnen und Mitschülern“, sagt Melanie. Sie ist 17 Jahre alt und macht gerade ihren Hauptschulabschluss an der Nikolauspflege. Für sie war es vor allem die Neugier, die sie zum Blindentennis-Training gebracht hat. „Ich hatte vorher noch nie etwas vom Blindentennis gehört, deshalb wollte ich unbedingt wissen, was das ist.“ Neben Blindentennis spielt sie an ihrem Heimatort auch gerne Fußball mit Freunden oder sie nutzt das Freizeitangebot der Nikolauspflege und nimmt an der Kletter-AG teil. Auf die Frage, was sie anderen Menschen mit Blindheit oder Sehbeeinträchtigung über Blindentennis sagen würde, überlegt sie nicht lange: „Probiert es aus! Blindentennis macht so viel Spaß und die klingenden Bälle und unsere guten Trainer machen das Ganze viel einfacher, als es aussieht. Das würde jedem gefallen!“ Auch die 25-jährige Celine erzählt mit Begeisterung, dass sie nun endlich gemeinsam mit ihrem Vater, der schon seit Jahren Tennis spielt, Sport treiben kann. Ihr Ziel ist es, in den Sommerferien gemeinsam mit ihrem Vater ein Tennismatch zu spielen. Sie habe zwar noch etwas Angst, da die Bälle beim Tennis natürlich härter sind als hier im Blindentennis, aber das Ballgefühl habe sie mittlerweile schon gut raus und auch wie sie mit dem Schläger umgehen muss. „Es ist anstrengend, aber es lohnt sich!“, lächelt Celine. Jonas erzählt, dass die Kurse für ihn eine tolle Möglichkeit seien, wieder ins Tennisspielen einzusteigen. „Ich habe früher in meiner Heimat Tennis gespielt, deshalb ist mir das Ganze nicht ganz unbekannt. Natürlich sind die Bälle viel leichter, als ich es von zu Hause gewohnt war, aber sonst ist der Unterschied für mich nicht sehr groß.“ Man kann es an seinem Spiel erkennen. Er weiß, wie er den Schläger halten muss, und er führt den Ball elegant übers Netz zu seinem Gegenspieler, der in diesem Fall sein Trainer Jonas ist. „Eine neue Sportart ist immer interessant, und ich mag es sehr, Neues auszuprobieren.“ Melanie, Schülerin der Nikolauspflege Sport ist für alle da! Seit 2014 ist Jonas im Tennistraining tätig. Angefangen hat er damals als Übungsleiter beim Kindergartentennis. Seit einem Jahr hat er nun den C-Trainerschein und engagiert sich neben dem Tennistraining auch beim Blindentennis. Für ihn ist Inklusion in den Sportvereinen ein wichtiges Thema, das gleichzeitig richtig viel Spaß mit sich bringt. „Ich finde es super, dass kein Training gleich ist; jeder und jede Teilnehmende ist unterschiedlich und damit auch das Training.“ Was er sich wünscht, ist, dass es auch beim TC Ditzingen bald die ersten Mitglieder mit Blindheit oder Sehbeeinträchtigung gibt. Dem kann sich Mandy Pierer, Inklusionsbeauftragte vom MTV Stuttgart, nur anschließen. Mitglieder seien sowohl als Vereinsmitglieder als auch in allen Positionen in der Vereinsarbeit herzlich willkommen und sogar gesucht. „Auch der MTV Stuttgart möchte Schritt für Schritt weitere inklusive Sportarten mit ins Programm aufnehmen und das ist natürlich noch besser machbar, wenn wir Menschen in unseren Teams haben, die selbst betroffen sind und uns helfen, die Dinge aus ihrer Sicht wahrzunehmen, und sie dementsprechend zu gestalten oder zu verändern.“ Das wöchentliche Training dauere immer eine Stunde und sei jedes Mal viel zu schnell vorbei, findet Melanie. Dem stimmt Trainer Angelo zu. „Es wäre schön, wenn wir noch mehr Zeit hätten mit den Teilnehmenden, die machen das super!“ Angelo ist bereits seit mehr als 20 Jahren Tennistrainer. Blindentennis ist aber auch für ihn noch ein recht neues Terrain. Seit einem Jahr ist er Blindentennistrainer. „Sport ist für alle da! Deshalb ist die Inklusion in den Sportvereinen auch so wichtig“, sagt er. Autor: Anne-Maria Kupke, Inklusionscoach Quelle: Nikolauspflege Fotos: Bernd Eidenmüller Nikolauspflege ![]() ![]() ![]() ![]() |
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